Keine Bange, Martin!
Jabberwocky
Der beurlaubte deutsche EU-Kommissar Martin Bangemann (FDP) hat die heftige Kritik an seinem überraschenden Wechsel zum spanischen Konzern Telefonica schlicht zurückgewiesen: "Ich kann nicht nachvollziehen, wenn mich Leute zum Urverbrecher aller Zeiten machen." Offenbar ist es ihm schnurzegal, wie man ihn und sein Verhalten bewertet. Martin Bangemann von der "Partei der Besserverdienenden" hat seine sieben Sachen in Brüssel gepackt, einen lukrativen Wirtschaftsjob in der Tasche und zeigt allen, die von ihm Sitte und Anstand fordern, daß ihn das kalt läßt. Dabei hätte er nur noch ein paar Wochen dabei und nicht einmal anwesend sein müssen. Zuviel verlangt - für annähernd 28.000 D-Mark im Monat. Gearbeitet hat er - wie allseits zu hören war - sowieso nicht. Er war als Freund des dolce vita bekannt, "nach mir die Sintflut" war stets die Prämisse dieses Vertreters der mediterranen Lebensart. Schon die Berufung Bangemanns zum Kommissionsmitglied war ein Ärgernis. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl versorgte ihn mit diesem Amt, um ihn als abgetakelten FDP-Chef in angemessener Weise loszuwerden. Eigentlich war von vornherein klar, daß Bangemann in eine Behörde, in der man den Rücken zu krümmen und preußische Tugenden zu entfalten hat, nicht passen würde. Dennoch ging er im Januar 1989 nach Brüssel, nicht ohne im Gepäck den Marschbefehl zu haben, Kommissionspräsident Jacques Delors einmal abzulösen. Dabei wurde angenommen, daß sich der für seine Beredsamkeit bekannte Ex-Wirtschaftsminister brav in die Riege der Kommissare einreihen und mit Engagement seine Dossiers studieren würde. Aber so etwas liegt Bangemann ja nun nicht. Statt dessen dinierte er lieber mit Chief Executive Officers, um mit ihnen Strategien zur weltweiten Liberalisierung der Märkte zu entwickeln. Bangemann fiel schon äußerst unangenehm in der Gen-Kennzeichnungs-Debatte auf, als er großspurig verkündete: "Unsere Verbraucher interessiert nicht, was in Nahrungsmitteln drinnen ist, das verwirrt sie nur." Wenn er an den wöchentlichen Sitzungen der Kommission überhaupt teilnahm, dann fand er sie des öfteren schnell langweilig und verließ sie wieder. Wenn wundert's, daß sich andere Kommissare verabschiedeten, wenn seine Vorlagen zu diskutieren waren. Auch in der Korruptions-Affäre um die deutsche Vulkan-Werft ist Bangemann noch gut in Erinnerung; oder mit seinem Ausspruch hinsichtlich der Macht der Europa-Parlamentarier: "Stimmt nur schön ab. Wir machen sowieso, was wir wollen." Das Europa der Absahner und der Pfründewirtschaft, wie man es zur Genüge kennt, hat einen Namem: Martin Bangemann, Synonym für "der Ehrliche und Fleißige ist der Dumme". Nein, derzeit machen die Deutschen auf der europäischen Bühne wirklich keine gute Figur.
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