Tiertransporte - die unendliche Leidensgeschichte.
Von Jutta Kassler und Maria Stockhammer
Nach wochenlangen Recherchen mit österreichischen Tierschützern und mehreren IGT-Mitgliedern haben wir festgestellt, daß jede Nacht von Donnerstag auf Freitag etliche dreistöckig vollgepfropfte Schweinetransporter von Deutschland kommend den Autobahn-Grenzübergang Passau-Suben passieren.
Am 17.09.1999 konnten wir kurz nach Mitternacht beobachten, wie ein übervoll beladener belgischer Schweinetransporter von der Gendarmerie gestoppt wurde. Wir nahmen an, daß der Fahrer wegen des belgischen Dioxinskandals am Weiterfahren gehindert werde. Neuerdings brauchen belgische Tiere ein Gesundheitszeugnis, das die Unbedenklichkeit in Bezug auf Dioxin bestätigt. Doch Papier ist ja bekanntlich geduldig...
Erst gegen 9.00 Uhr morgens wurde die Ladung von der Amtstierärztin überprüft. Daraufhin wurde der LKW zur Labestation St. Marienkirchen eskortiert, wo der Fahrer einen Teil der Tiere abladen mußte, weil der Anhänger in drei Stockwerken übereinander total mit Schweinen überladen war.
Außerdem hatte der Fahrer seine Fahrzeit bei weitem überschritten. Auch die geltende EU-Tiertransport-Verordnung wurde mißachtet, nach der Schweine nur dann länger als acht Stunden transportiert werden dürfen, wenn alle Tiere Zugang zu Tränken haben, was hier nicht der Fall war. Der Transport war bereits seit 22 Stunden unterwegs!
Nach der Abladung durfte der Fahrer mit den restlichen Tieren zu seinem "Bestimmungsort", einem Schlachthof in Niederösterreich weiterfahren, wo er gegen 14.30 Uhr, also nach fast 40 Stunden, ankam. Dort wurden die in belgischen Tierfabriken gemästeten Schweine in "österreichisches Qualitätsfleisch" verwandelt! Es muß sich also niemand wundern, wenn in diesem Fleisch jene giftigen Substanzen (Altöle, Dioxine, Klärschlamm usw.) enthalten sind, die im Ausland durch Verfütterung entsorgt werden. Der freie EU-Warenverkehr macht's möglich!
Der Schlachthof Graz
Diese mafiösen Machenschaften wollten wir weiter verfolgen. Unser erstes Ziel war der Grenzübergang Passau-Suben, wo wir auf einen Schweinetransporter einer Firma aus Roth bei Nürnberg warten wollten. Die Fahrer dieser Firma behaupten, immer über Suben zum Schlachthof Graz zu fahren. Allerdings wurden diese Transporter in Suben noch nie gesehen. Offensichtlich weichen sie auf Strecken aus, wo sie weniger Angst vor Tierschützen haben müssen!
Diesmal konnten wir nur bis 03.00 Uhr am 24. 09. 99 warten, weil wir anschließend zum Grazer Schlachthof weiterfahren wollten.
Seit mehreren Wochen hatten unsere österreichischen Freunde, Herr Willi Benner und Herr Hubert Hirscher, diesen Schlachthof immer Donnerstag auf Freitag beobachtet und dabei festgestellt, daß freitags ab 04.00 Uhr früh auch Schweine aus Deutschland angeliefert werden. Es werden aber auch Schweine aus Deutschland bei Bauern in der Grazer Umgebung abgeladen, von wo die Tiere dann als "österreichische Schweine" mit Traktoren zum Schlachthof Graz gefahren werden. Mit diesem Umweg soll die Herkunft der Schweine verschwiegen werden!
Der österreichische Kommerzialrat Purkhauser (Wirtschaftskammer - Sektion Viehhandel) sagte in der letzten "Help-TV"-Sendung im ORF [Österreichisches Fernsehen], daß jährlich 1,5 Millionen(!) Schweine in Österreich geschlachtet werden. Er "vergaß" zu sagen, daß mindestens ein Drittel davon aus dem Ausland stammen.
Ab 04.30 Uhr warteten wir mit Herrn Hirscher und Herrn Benner, der Polizei und dem VgT (Verein gegen Tierfabriken Österreich) auf die Transporter. Es kamen unzählige kleinere Transporter an, die alle hoffnungslos mit Schlachtschweinen überladen waren. Der erste Transporter, auf den wir gewartet hatten, kam gegen 08.00 Uhr mit einigen Stunden Verspätung an, da die Kontrolle der Polizei und der Tierschützer offensichtlich bekannt geworden war.
Die Polizei kontrollierte lediglich die Papiere des Fahrers und die Tachoscheiben. Die Tiere wurden von den Beamten keines Blickes gewürdigt, obwohl ihr Aussehen und ihr Zustand auch den härtesten Menschen zu Tränen rühren konnte!
Von blutigen Striemen durch brutale Stockschläge bei der Verladung übersät, lagen sie dicht an dicht - und durch fehlende Versorgung apathisch geworden - im dreistöckigen Anhängerzug! Wir sahen auch sehr viele Tiere mit den verschiedensten Verletzungen (z. B. blutige Schnauzen, Einschnitte in den Bäuchen usw.)!
Die Polizei fuhr dann mit dem Lkw in den Schlachthof. Niemand von uns Tierschützern durfte bei der Entladung anwesend sein! Offensichtlich gab es genügend zu vertuschen.
Der zweite Transporter kam gegen 09.00 Uhr an. Da keine Polizei mehr vor dem Schlachthof war, wollte ihn der Tierschützer aufhalten, um die Tiere in Augenschein zu nehmen. Der Fahrer blieb allerdings nicht stehen, sondern fuhr langsam weiter und machte sehr deutlich, daß er die Tierschützer einfach überfahren würde! Nach dem beherzten Eingreifen von Herrn Hirscher (er zog die Bremsschläuche des Anhängers ab!) ist es zu verdanken, daß niemand verletzt oder sogar getötet wurde.
Die beiden inzwischen per Notruf verständigten Polizisten kamen uns in keiner Weise zu Hilfe! Sie geleiteten dann nur den Lkw in den Schlachthof. Damit war ihre "Amtshandlung" erledigt. Die geladenen Schlachtschweine sahen übrigens genau so schlimm aus wie die auf dem ersten Transporter!
Da wir in den Schlachthof nicht hinein durften, gingen wir den Weg, der am Schlachthof vorbeiführt. Wir konnten da zwar nichts sehen, aber die Todesschreie der Schweine, die wir hören konnten, werden wir wohl nie mehr vergessen!
Wir wünschen uns, daß jeder, der Fleisch ißt, auch an die grausamen Transporte und an den entsetzlichen Tod dieser Tiere denkt!
Beteiligte IGT-Mitglieder: Jutta Kassler, Maria Stockhammer, Tino Süß und
Uli Leschinski.
(Mit freundlicher Genehmigung aus "IGT informiert" Heft 4)